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Die Arbeitszeit neu denken

Der technische Fortschritt verändert unser Leben immer schneller. Während wir vor 20 Jahren noch tagelang auf Geschäftsbriefe gewartet, unterwegs Telefonzellen gesucht und im Büro Karteikarten abgelegt haben, schicken wir heute in Sekundenschnelle E-Mails, loggen uns von unterwegs über Webmail ein und haben auf elektronisch archivierte Dokumente von überall Zugriff.

Das Arbeitszeitgesetz, mit dem die tägliche Arbeit von Arbeitnehmern geregelt werden soll, ist allerdings nicht nur zwanzig sondern sechsundvierzig Jahre alt. Es stammt aus der Zeit von Stechkarten und Rechenschiebern. Manuelle Tätigkeiten dominierten damals die Arbeitswelt. Im Wesentlichen und mit wenigen, kompliziert geregelten Ausnahmen geht das Arbeitszeitgesetz von der Pflicht aus, Arbeitszeiten genau aufzuzeichnen. Das Arbeitsruhegesetz ergänzt dieses Regelpaket und normiert neben vielen anderen Dingen die Feiertags- und Wochenendruhe.

So stehen wir im täglichen Arbeitsleben heute vor der Situation, dass die bestehenden Gesetze den Wünschen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern nach Flexibilität und Mobilität nicht mehr gerecht werden:

 

  • Junge Eltern, die sich am Abend via Home office nochmals an die Arbeit machen, nachdem die Kinder ins Bett gebracht sind, verletzen wohl regelmäßig das Arbeitszeitgesetz (§12 AZG), weil sie die 11stündige Nachtruhe nicht einhalten.

 

  • Wer am Donnerstag noch zwei Stunden Arbeit anhängt, um den Freitagnachmittag im Freien zu verbringen, muss gut aufpassen, nicht die Begrenzung der Tagesarbeitszeit auf 10 Stunden (§9 AZG) zu überschreiten.

 

  • Die Schulveranstaltung eines Kindes am Nachmittag oder den Sprechtag möchten Eltern nicht versäumen. Doch wird der Chef oft nicht einverstanden sein, wenn der Mitarbeiter die liegen gebliebene Arbeit stattdessen am Samstag erledigen möchte. Da muss das Unternehmen nämlich für dieselbe Arbeit Zuschläge zahlen (nach den meisten Kollektivverträgen).

 

Unsere dynamische, mobile Arbeitswelt unterliegt immer noch einem uralten Gesetz, das Arbeit in abgesessenen Minuten misst. Moderne Arbeitnehmer, die von ihren Vorgesetzten danach beurteilt werden, ob und wie gut sie ein Arbeitspaket meistern, müssen sich nach der Stempeluhr richten.

Manch einer hat schon daran gedacht, mit dem Chef einfach Vertrauensarbeitszeit zu vereinbaren. Das ist aber verboten. Geht nicht mal, wenn der Betriebsrat zustimmt. – Arbeitszeitgesetz.

3 Comments
  • Mario Kempf

    29. September 2015 at 11:09 Antworten

    Stimmt alles soweit und ist (k)ein Zustand.
    Was ist die Lösung und wie kann sie praktisch (!) umgesetzt werden? Stichwort Arbeitergeberseite vs. Arbeitnehmerseite…

    • Gerald Loacker

      3. Dezember 2015 at 19:54 Antworten

      Vertrauensarbeitszeit bei Zustimmung des Betriebsrates einzuführen wäre keine Hexerei. Aber das ist heute nicht möglich.
      Die Ausrede „es müssen sich die Sozialpartner darauf einigen“ lasse ich nicht gelten. Wer macht die Gesetze? Die Sozialpartner oder das Parlament? Nur weil das in Österreich seit 1945 immer die Sozialpartner waren, bedeutet das für mich nicht, dass sich daran nie etwas ändern darf.

  • Gabi Muschl

    15. Oktober 2015 at 21:38 Antworten

    Das ganze System ist zu hinterfragen! Stress beginnt schon im Kindergarten. Veranstaltungen der Kinder sind oft in der Freizeit. Flexibel muss man sein – dass heißt sich BIEGEN müssen! Meine Tochter sagte erst vor kurzem zu mir: „Mama ich komm von der Schule nach Hause und habe keine Zeit, denn ich muss lernen, und wenn ich groß bin, habe ich auch keine Zeit, dann arbeite ich den ganzen Tag!“ Wo bleibt das wirkliche Leben? Wenn wir alle insgesamt weniger arbeiten würden, gäbe es mehr Arbeitsplätze und wir hätten alle mehr Zeit, für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Natürlich hätten wir weniger Geld, doch brauchen wir den ganzen Luxus? Familie und wirklich Leben ist doch der wahre Reichtum!! Der Spagat zwischen reich und arm würde kleiner werden, es würde achtsamer mit allem und jedem umgegangen werden. Wir haben tolle technische Fortschritte gemacht, doch es ist nie genug. Der Preis dafür ist hoch, denn der Mensch opfert dafür seine Zeit und macht sich abhängig, So will es das System. Ich will das nicht!!

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