10% Pensionserhöhung?
Jeden Sommer beginnt das Feilschen um die Pensionserhöhung für das nächste Jahr. Dabei gibt es gar keinen Grund zu feilschen, denn das Gesetz regelt glasklar, wie die Pensionen zu erhöhen sind. Die Seniorenvertreter, derzeit Peter Kostelka (SPÖ) und Ingrid Korosec (ÖVP), stellen aber jedes Jahr aufs Neue das Gesetz in Frage. Heuer erschallt sogar der Ruf nach 10% Pensionserhöhung.[1] Damit ist nicht nur die Grenze der Bescheidenheit, sondern auch die Grenze des Anstandes überschritten.
Das ASVG ist ganz präzise: Die Inflation von August des Vorjahres bis zum Juli des heurigen Jahres bildet die Basis für die Erhöhung der Pensionen zum nächsten 01. Jänner.[2] Für den 01.01.2023 errechnen sich so genau 5,8%.
Natürlich trifft der Einwand zu, dass die Monatsinflation im Juli 2022 über 9% liege. Aber es entscheidet eben der durchschnittliche Jahreswert, nicht der Einzelmonat. Umgekehrt kann das für nächstes Jahr bedeuten, dass beispielsweise die Inflation im Juli 2023 niedrig, aber der Jahreswert weit darüber liegt. Gegebenenfalls fiele dann eben die Pensionserhöhung stärker aus als die aktuelle Inflation. Nur weil einmal, nämlich im heurigen Jahr, die gesetzliche Formel nicht das Wunschergebnis auswirft, steht es den Seniorenvertretern, die selbst riesige Altpolitikerpensionen beziehen, nicht zu, das ganze System in Frage zu stellen.
Finanzminister Brunner bringt eine „gestaffelte“ Erhöhung ins Spiel.[3] Der nächste Minister, der das System nicht versteht, schaltet sich also ein. Solche „gestaffelten“ Erhöhungen haben wir in den letzten Jahren immer wieder gesehen, nämlich unter dem Vorwand, man müsse „die kleinen Pensionen“ besonders erhöhen. Dabei verkennen diese Möchtegern-Sozialpolitiker, dass „nicht hinter jeder kleinen Pension ein armer Mensch“[4] steht, wie Dr. Walter Pöltner, der ehemalige Vorsitzende der Alterssicherungskommission, treffend formuliert. So haben diese „gestaffelten“ Erhöhungen in den letzten Jahren dazu geführt, dass hunderttausende Menschen profitiert haben, die nur einige Jahre in Österreich, den Rest in anderen Ländern gearbeitet haben. Diese Pensionisten bekommen für ihre wenigen Beitragsjahre nur eine „kleine“ Pension aus Österreich – die wurde aber immer besonders stark erhöht.[5]
Anstatt alle kleinen Pensionen überproportional zu erhöhen, was in den letzten Jahren jeweils mehr als 1 Million Personen begünstigt hat, könnte sich das Parlament auch darauf beschränken, nur den Ausgleichszulagenrichtsatz zu erhöhen und damit wirklich nur die ca. 200.000 Kleinpensionisten in Österreich besserzustellen. Der Ausgleichszulagenrichtsatz („Mindestpension“) liegt aktuell bei EUR 1.030,49 monatlich. Betroffen sind Menschen, die weniger als 30 Beitragsjahre zusammenbringen und daher logischerweise eine niedrige Pension bekommen.[6]
Ob es allerdings gerechtfertigt ist, jedes Jahr das Äquivalenzprinzip[7] auszuhebeln, indem man den Versicherten mit 45 und mehr Beitragsjahren eine kleinere Erhöhung zukommen lässt, um denen, die wenig gearbeitet haben, höhere Pensionen zu zahlen, darf man wohl hinterfragen. Diese Politik der letzten Jahre hat nämlich dazu geführt, dass gerade die Leistungsträger mit langen Versicherungszeiten und hohen Beiträgen eine Entwertung ihrer Pensionen erlitten haben, während die Bezieher von Ausgleichszulagen steigende Realeinkommen verzeichnen.
Ganz abgesehen von alledem gibt die finanzielle Lage des Pensionssystems außertourliche Erhöhungen nicht her. Fest steht, dass schon die gesetzliche Erhöhung von 5,8% den Bundesfinanzrahmen sprengen wird.[8] Der Rechnungshof hat darüber hinaus festgehalten, dass sich der Zuschuss der Republik zu den Pensionen aus der Sozialversicherung bis 2030 verdoppeln wird.[9] Diesen Berechnungen liegen noch die niedrigeren Inflationsraten aus dem Jahr 2021 zugrunde. Von einer Überschreitung dieser Prognosen durch die traurige Realität müssen wir also ausgehen.
Ein gutes Sozialsystem lebt von der Balance zwischen den Interessen der Leistungsbezieher und den Interessen der Beitragszahler. Die Beitragszahler, im Pensionssystem also die Erwerbstätigen, haben harte Zeiten hinter sich. Die Corona-Krise hat Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Umsatzausfälle und vieles mehr verursacht, während die Pensionen kontinuierlich gestiegen sind. Keine Branche hat bisher KV-Abschlüsse im Ausmaß von 5,8% erzielt. Die Senioren sind daher aufgerufen, sich ihrer sehr komfortablen Position ebenso bewusst zu werden wie ihrer Verantwortung gegenüber den Generationen, die das System finanzieren und selbst weit bescheidenere Pensionen bekommen werden. 5,8% sind viel. Und sie sind für die heurige Pensionserhöhung genau richtig.
[1] https://www.derstandard.at/story/2000137866058/pensionen-duerften-um-mindestens-sechs-prozent-steigen
[2] § 108f Abs 3 ASVG https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40190813/NOR40190813.html
[3] https://www.derstandard.at/story/2000138353003/anpassungsfaktor-steht-fest-pensionen-sollen-um-5-8-wachsen
[4] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2115820-Nicht-jeder-mit-kleiner-Pension-ist-arm.html
[5] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2029409-Extra-Erhoehung-auch-fuer-Doppelpensionen.html
[6] Wer mehr als 30 Jahre gearbeitet hat, liegt jedenfalls mindestens 10% darüber (§ 299a ASVG).
[7] „In der Pensionsversicherung wurde jedoch bereits in der Stammfassung des ASVG das Äquivalenzprinzip gegenüber dem Fürsorgeprinzip in den Vordergrund gerückt.“ https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/load?contentid=10008.714202&version=1391184549
[8] Mündliche Anfragebeantwortung von BM Rauch https://www.krone.at/2754064
[9] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2156682-Pensionslast-fuer-Bund-bis-2030-verdoppelt.html
Andreas gratzer
9. Juli 2023 at 10:23Ich sehe mich als Beitragszahler nicht von ‚gefräßigen‘ Seniorenvertretern ausgesackelt, oder gar um meine Zukunft gebracht..
Bei spitzenpensionen von irgendwelchen ‚apparatschiks‘ gebe ich Ihnen allerdings recht: wenn eine pinke Unterstützerin wie Irmgard g. in den Genuss einer luxuspension kommt, ohne auch nur ein Jahr in der freien Wirtschaft gearbeitet zu haben, dann ist das in höchstem Maße ungerecht!