„Aber wir zahlen ja Selbstbehalte!“
Versicherte in der BVA oder in einer der 16 KFA (Krankenfürsorgeanstalten von Ländern und Gemeinden) genießen bessere Leistungen[1], kürzere Wartezeiten auf Behandlungstermine und können unter einer größeren Zahl von Ärzten[2] wählen als Versicherte in den Gebietskrankenkassen.
Angesprochen auf diese Besserstellung lautet die typische Reaktion von Versicherten in diesen Krankenversicherungsträgern: „Ist ja logisch, wir zahlen Selbstbehalte, die GKK-Versicherten nicht.“
Wie wenig die 10%-igen Selbstbehalte der BVA-Versicherten diese großen Unterschiede rechtfertigen, erhellt ein Blick auf die exakten Werte: Im Schnitt zahlt ein GKK-Versicherter jährlich € 82,00 an Selbstbehalten, ein BVA-Versicherter € 218,00[3], macht eine Differenz von € 136,00.
Doch schon die Arztleistungen je Versicherten liegen bei der BVA mit € 589,86 wesentlich über jenen der GKKn mit € 376,95[4]. Das heißt, alleine durch die Arztleistungen ist die Differenz bei den Selbstbehalten mehr als überkompensiert. Hinzu treten Besserstellungen bei Ersätzen für Kontaktlinsen[5], Zahnkronen[6], Impfungen[7] und viele andere Leistungen.
Gleichzeitig häuft die BVA mehrere hundert Millionen EUR an Rücklagen an[8], während die knausrigen Gebietskrankenkassen am finanziellen Limit laufen. Wie ist das möglich? Die Versichertenstruktur der Kassen unterscheidet sich wesentlich. Die Gebietskrankenkassen erfassen Arbeiter und Angestellte mit einem jährlichen Durchschnittseinkommen[9] von € 19,915 (Arbeiter) bzw. € 37.447 (Angestellte), während bei der BVA die Vertragsbediensteten (€ 34.773) und Beamten (€ 57.576) des Bundes versichert sind. Die Beitragsgrundlagen sind bei BVA-Versicherten daher im Schnitt deutlich höher[10], was die Einnahmen der Kasse steigert.
Dazu kommt, dass die 2.933.067[11] Erwerbstätigen Arbeiter und Angestellten (2015) mit ihren Beiträgen in der Krankenversicherung 373.772 Arbeitslose mittragen, während sich die 559.475 öffentlich Bediensteten der BVA und die 162.000 Versicherten der KFA[12] aus dieser Solidarität ausklinken.
Angesichts eines derart ungerechten Systems müsste es jedem redlichen Sozialdemokraten und jedem anständigen Christlichsozialen die Zehennägel aufrollen. Müsste.
[1] http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/5066924/14KlassenSystem-in-der-Medizin
[2] Z.B. hier nur KFA: http://www.bellariadiagnose.at/
[3] http://derstandard.at/2000051193985/Wie-viel-die-Patienten-tatsaechlich-an-Selbstbehalten-zahlen
[4] Die Erstattung für Wahlarztkosten je Versicherten beträgt bei den GKK (Jahr 2015) € 15,47, bei der BVA € 39,39 p.a. Bei den Kassenarztkosten je Anspruchsberechtigten liegen die GKK im Schnitt bei € 361,48 und die BVA bei € 550,47 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_10663/index.shtml)
[5] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_09421/index.shtml
[6] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_09430/index.shtml
[7] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_09432/index.shtml
[8] http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/5149466/Die-ZweiKassenGesellschaft
[9] http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/personen-einkommen/jaehrliche_personen_einkommen/019348.html
[10] Zwar gilt für die BVA-Versicherten keine Höchstbeitragsgrundlage, doch ist die Zahl der GKK-Versicherten, die jenseits der Höchstbeitragsgrundlage verdienen, überschaubar klein. Arbeiter verdienen praktisch nie so viel, bei den Angestellten liegt in etwa das oberste Dezil der Bestverdiener über der Grenze von € 4.980.
[11] Statistisches Jahrbuch der Sozialversicherung: http://www.bva.at/cdscontent/load?contentid=10008.603361&version=1446133514
[12] https://kurier.at/wirtschaft/die-privilegien-kaiser-des-krankenbettes/244.284.641
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